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Google und seine E-Mail Dienste – Warum zu viel Innovation auch schlecht sein kann

Ich denke manchmal Google versteht die E-Mail nicht. Versucht aus ihr etwas zu machen was sie nicht ist. Die meisten menschen benutzen E-Mails wie Briefe. Sie schreiben sie und lesen Sie und sie fliegen dann irgendwie rum, vielleicht landen Sie in Kisten oder mal kurz an Pinnwänden aber man wirft sie nicht weg oder sortiert sie nach Farben der Briefmarken. Nur Werbung, die kommt meist rigoros in den Müll. Das hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert und es hat sich bewährt.

Google versucht jedoch in regelmäßigen Abständen daran zu rütteln bisher sind die Versuche meist gescheiter. Warum auch dem neueste Weg Googles, uns mit dem Tool „Inbox“ zu einem Umdenken zu bewegen, meines Erachtens nach genau das gleiche Schicksal ereilen wird liegt wieder in der Natur der Sache und der Natur des Menschen.

Der E-lefant E-Mail ist lebt länger als man glaubt

Google ist innovativ und nimmt diese Aufgabe ernst. Sie erfinden neue Methoden Wege und revolutionieren vielfach den Umgang mit digitalen Dingen in unserer intermedialen online-Welt. Auch die E-Mail ist davon betroffen. Aber manchmal ist es zuviel des Guten. Aus einem Elefanten lässt sich eben keine Mücke machen.

GMail, Threading und Archive

GMail war eine Revolution. Mit seinen 1 GB Speicher übertrumpfte dieser Mail Dienst seine gesamte Konkurrenz um Längen und sollte auch über Jahre weit voraus bleiben. Während Web.de zum Beispiel seinerzeit bei 12 MB Postfachgröße hängenblieb und noch länge dort feststeckte. Gmal bot aber nicht nur richtig viel Speicher sondern vor allem auch den besten Spam-Schutz den es gab und mitunter gibt. Aber auch hier gab es Neuerungen die nicht auf viel Gegenliebe gestoßen sind. Mails mit gleichem Betreff wurden in sogenannten Threads zusammengefasst. So konnte es sein, dass eine neue Mail zu einem alten Thema irgendwo verborgen unterhalb einer alten Mail auftauchte. Zwar rutschte diese dann im Postfach nach oben, aber es war nicht sofort sichtbar von wem denn nun der neue Beitrag kam. Es gab viel Gegenwind, bis Google schließlich einlenkte und sich gezwungen sah, einen Schalter zum Abschalten dieser „intelligenten Sortierung“ einzuführen.

Eine andere Neuerung war das Archivieren von Mails. Das Postfach, die Inbox, Sollte anscheinend nur ein Interimsordner sein. Bearbeitete Mails sollten Archiviert werden um aus dem Sichtfeld zu verschwinden. Ein netter Gedanke, der jedoch so gut wie nie benutzt wird, viel Konzentration und Sortierungsaufwand erfordert und uns auch noch Jahre später beschäftigen sollte. Auch ist nie klar was das archivieren eigentlich technisch bedeutet. Nur das verschieben in einen Ordner „All Mail“ scheint als Grund nicht sinnvoll genug, als dass es dazu motiviert zu jeder mail eine Entscheidung treffen zu müssen.

Google Wave zerschellte am E-Mail Felsen in der Brandung

De Idee des Threading ließ die Entwickler ebenfalls nicht los und wurde energisch weiterentwickelt. Google Wave war geboren und der erste Versuch diesen Gedanken in einem eigenen Tool zu verselbstständigen. Hier mutierte die E-Mail zu einem forumähnlichen Post. Einem Beitrag der jedoch unterschiedliche Funktionen haben konnte. Man konnte Threads wie Chats mit multimedialen Elementen aufbauen. Eigentlich eine gute Idee, aber leider hatte es nichts mehr mit der klassischen Mail-Funktion zu tun. Mails wurden zu kurzen Statements degradiert und ihrer eindimensionalen Chronologie entledigt. Es entschied nicht mehr die Rangfolge des Posteingangs sondern die Zuordnung zu Themen anhand der Betreffzeile. Wohl dem der in seinem Team die Betreffzeilendisziplin erfolgreich durchsetzen konnte. Allen anderen drohte ein Chaos.

Das Prinzip E-Mail war in Google Wave zu einem kollaborativen Projektmanagement mutiert. Mehr als Mail sein wollte und konnte und so erplatzte die Welle an der Behäbigkeit der User. Das Projekt wurde eingestampft und Google Wave vollständig vom Markt entfernt. Ein zunächst unsagbarer Hype verschwand so schnell wie er gekommen war.

Die Ruhe vor dem Sturm? Zuerst die Benutzer umerziehen – dann den Dienst ändern

Ich glaube Google hatte dann erstmal jahrelang Angst davor hier noch irgendwas zu versuchen. Lediglich ein zaghaftes Redesign von GMail hat es in der Zwischenzeit gegeben. Keine neuen Funktionen keine neuen Strukturen, eigentlich ist alles beim Alten geblieben und GMail damit mittlerweile ein Dino unter den Google-Diensten. Das ist schade, denn auch die bewährten Tools wie Filter, Labels und das Interface könnten mal einen neuen Anstrich vertragen.

Hat sich wirklich nichts geändert? Nein, es gab Änderungen hinter denen weitreichende Konzeptvariationen stehen. So erzeugt das schreiben einer neuen Mail auf einmal nur noch ein klitzekleines Chatfenster. Kaum größer als bei Facebook.Nur mit einem verborgenen Schalter lässt es sich standardmäßig auf Bildschirmgröße zaubern. Zufall? Nein, Der Gedanke soll verschwinden dass man eine physische Mail versendet.Mail und Googles Chat verschmelzen. Instant Messaging als die Lösung des Innovationsstaus?

ich wage es zu bezweifeln ist doch gerade die Mail im Geschäftsbetrieb ein wichtiges Instrument das alleine schon an rechtliche Bedingungen gebunden ist. Da reicht ein solch kleiner Inputbereich nicht aus.

Es wirkt als ob Google die Energie und das Geld wieder in etwas anderes steckt, um das möglicherweise lästige GMail doch noch loszuwerden. Dazu gehört aber anscheinend, dass man erst die User umerziehen muss. Das E-Mail Gefühl muss verschwinden sonst scheint man andere Herangehensweisen an Online-Kommunikation nicht zu akzeptieren.

Google Plus

Konsequenterweise hat Google schließlich seinen eigenen Social Media Dienst eingeführt. Auch wenn er an sich bisher wenig erfolgreich ist, so erfreut er sich durch die Kombination und Zwangsanmeldung durch andere Google Dienste einer großen Benutzerschaft. Die Integration in GMail ist konsequent. Mails vermischen sich nun auch mit Nachrichten aus dem Google Plus-Land. Die Idee wurde also konsequent weitergeführt.

Das ganze ist nun aber auch ein paar Jahre her. Nach Google Plus schreit kaum ein Hahn mehr und die erhoffte Revolution blieb aus. Stattdessen ist die klassische E-Mail immer noch da. Im Gegenteil es scheint mir  als ob das Chataufkommen eher sinkt.

Google Inbox – der nächste und vorerst letzte Versuch

Google hat nun wieder mit einem „Einladungsverfahren“ versucht einen neuen Dienst vor Veröffentlichung zu hypen. Das ist bei Google Wave schon einmal schiefgegangen, Un jetzt? Es gibt sie die Google Inbox. Das Prinzip der Interimskiste für E-Mails hat sich schließlich doch noch verselbstständigt. Als App und Desktop-Lösung. Und was macht sie? Sie versucht uns die Idee des Archivierens und Aufgabenzuordnens zu erleichtern. Mails als Aufgaben, darauf kann man es herunterbrechen. Ja das scheint auch zu stimmen. So will jeder Absender doch irgendwas sonst würde er oder sie nicht schreiben. Aber richtiges Mail-Gefühl kommt bei der Benutzung von Inbox nicht auf. Man schiebt tinderlike die Mails hin und her um sie dann am nächsten Tag doch wieder vors Gesicht zu bekommen. jedenfalls diejenigen die man sich „auf Termin“ gelegt hat.

So richtig mag ich nicht daran glauben, dass Inbox die finale Lösung des Mailproblems mit seinen großen Massen an Input ist. Nach knapp zwei Wochen Nutzung ist die App bei mir eher zu einem Gimmick geworden, dessen Verzahnung ich mit Google Mail immer noch nicht komplett verstehe. Was passiert mit aufgeschobenen Mails? Wo sind sie in Google Mail? Und die erledigten? Sind die gelöscht? Oder archiviert? und was heißt das nochmal? Ach ja das hatte Google ja schon damals nicht erklärt.

Keine Inbox-Zukunft ohne die Business-People im E-Mail Boot

Ach ja, dann ist da ja noch die Desktop Version von Inbox. Ich habe auch diese intensiv geprüft und sie dann vollständig ad acta gelegt. Woran liegts? Mails zu schreiben kann man hier eigentlich komplett vergessen. Google war konsequent. Und hat bspw. Signaturen als „unnötigen Ballast“ vollständig entfernt. Mails lassen sich nicht mehr von verschiedenen Absendern schreiben und die Bearbeitung der Inhalte erinnert nur noch an Chat-Tools. Ganz weit weg von Office und Business. Aber war da nicht was? Ja, genau die waren einst die treibenden Kräfte hinter dem Mail-Erfolg der vergangenen Jahrzehnte. Sich diesen Kräften entgegenzustellen kann nicht gut gehen.

Ich glaube Inbox wird versinken. Genau wie Google Wave. Threading hat nicht geklappt und Mail als reine Aufgabenlösung zu betreiben reicht auch nicht an die Wirklichkeit heran. Mail ist kein Chat und wird es vorerst auch nicht werden. ogles Versuche das zu ändern nerven langsam. Hoch lebe die gute alte Brieftaube, im wahrsten Sinne des Wortes.

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